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Die deutschen Star-Architekten Meinhard von Gerkan und Christoph Ingenhoven über die moralische Verantwortung von Architekten, die im Ausland arbeiten, über 

die Aufgaben ihrer Zunft in einer globalisierten Welt und die politische Relevanz von Gebäuden



SPIEGEL  : Herr von Gerkan, Sie bauen in nichtdemokratischen Ländern wie Vietnam und China. China ist zuletzt durch die Zerschlagung des Aufstands in Tibet 

international in die Kritik geraten. Sehen Sie durch die jüngsten Entwicklungen Ihre Auslandsprojekte in einem anderen Licht?

Gerkan     :  Ich habe meine Meinung nicht geändert. Durch das, was jetzt passiert ist, kam ja nur etwas an die Oberfläche, was ohnehin schon seit nahezu 50 

Jahren virulent ist. Natürlich war ich mir von Anfang an darüber bewusst, wo ich da baue, ich bin mir der Nachteile bewusst - aber auch der Vorteile. Ich baue in China vor allem aus baukulturellen Gründen, denn es ist ja unbestritten, dass das Land mit Abstand den größten Freiraum für avantgardistische Architektur bietet.

Ingenhoven: Das ist ein Punkt, auf den ich gerne antworte. Man kann doch nicht sagen: Weil man sich in Ländern wie China nicht so wie in Deutschland mit 

Bezirksvertretungen oder Senatsbaudirektoren herumschlagen muss, repräsentiert das, was dann dabei herauskommt, gleich die bessere Qualität und die größere Freiheit.

Gerkan      : Aber Herr Ingenhoven, wenn wir nun ausgerechnet nicht für China und nicht für Vietnam bauen dürften, dann dürften wir für die halbe Welt nicht bauen. 

Denn so viel blütenweiße Demokratien gibt es gar nicht. Und sollen deutsche Architekten - und zwar nur die, weder die Industrie noch der Handel, noch der Mittelstand, noch Ingenieure -, sollen die sich allen Ernstes die Hälfte der Erdkugel versagen? Ist diese Forderung nicht absurd?

Ingenhoven: Man kann nicht einfach sagen, was die Industrie macht, das machen wir auch. Man kann nicht sagen, die Hälfte der Welt besteht aus nicht ganz 

lupenreinen Demokratien, und deswegen bauen wir dann gleich für die ganz Schlimmen. Lassen Sie uns mal wegkommen von China: Es kann doch 

nicht wahr sein, dass deutsche Architekten in Libyen die neue Regierungshauptstadt Gaddafis bauen ...

SPIEGEL   : ... das Berliner Büro Léon, Wohlhage und Wernik ...

Gerkan      : ... bitte lassen Sie mich noch einmal auf mein Engagement in China zurückkommen. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich dort baue, und 

der hat mit unserem Klimaproblem zu tun. Deutschland ist, was ökologisches Bauen anbetrifft, führend in der Welt. In China haben wir die erste 

Fassade mit außenliegender Beschattung an einem Hochhaus gebaut. Wir Deutschen sind diejenigen, die so etwas in die Welt hinaustragen können. 

Und das nicht nur aus einem Eigeninteresse, und nicht nur im Interesse der Chinesen, sondern aus Verantwortung gegenüber der gesamten 

Menschheit.


SPIEGEL  : Lassen Sie uns jetzt einmal nicht über China, nicht über Libyen reden, sondern über ein ganz konkretes Beispiel, bei dem Sie beide sogar aufeinander-

gestoßen sind. Herr Ingenhoven, Sie sind eingeladen worden, sich am Wettbewerb für den Bau des vietnamesischen Parlaments zu beteiligen und 

haben abgelehnt. Herr von Gerkan hat ihn gewonnen und wird das Parlament bauen. Warum haben Sie abgelehnt?

Ingenhoven: Wir haben in Vietnam in den letzten paar Jahren mindestens drei, vier Wettbewerbe abgelehnt, weil die finanziellen und die Copyright-Bedingungen in 

den Auslobungsunterlagen absolut katastrophal waren. Katastrophal! Wenn man für einen Wettbewerb 3000, 4000, 5000 Euro bekommt und dann 

200 000 Quadratmeter abliefern soll, und das alles innerhalb kürzester Zeit, und wenn da mehr oder weniger drinsteht, dass man keine Rechte auf 

seinen Entwurf hat, dann hab ich keinen Spaß daran. Ich frage mich: Wieso sind die so drauf? Wenn die ein paar tolle Architekten haben wollen, 

warum können die nicht auch ordentlich Geld dafür ausgeben? Warum wollen die kein Copyright respektieren? Ich glaube, dass es auch etwas mit 

dem politischen Status dieses Landes zu tun hat, dass man dort mit solchen Dingen nachlässig umgeht.

Gerkan     : Es wundert mich, dass Sie, der doch einige Erfahrung im Ausland hat, solche Ausschreibungen so ernst nehmen. Sie müssten doch wissen, dass die 

Bürokraten in diesen Ländern Dinge weit ab von der Realität formulieren. Ich will Sie gar nicht nötigen, nach Vietnam zu kommen, wir fühlen uns da 

ganz wohl, wir sind fast die Einzigen, die dort die großen Bauten errichten: Das Konferenzzentrum der Regierung etwa - das größte in Asien - ist 

schon fertig. Dort treffen sich übrigens Präsidenten von Einparteiensystemen mit den Oberhäuptern demokratischer Regierungen.

SPIEGEL  : Wie erleben Sie das Arbeiten dort?

Gerkan      : Das Zentrum haben wir unter Bedingungen gebaut, die, was die Technik betrifft, abenteuerlich waren, was das Honorar betrifft, aber auskömmlich. Nun 

steht, nach einem Nationalmuseum und dem Innenministerium, das Parlament an. Es hat Widerstand in der Bevölkerung gegeben, Fragen wie: "Wo 

bleibt unsere nationale Identität? Wo finden wir uns da wieder?" Daraufhin hat die Regierung das gesamte Wettbewerbsergebnis einer Volksbefragung 

unterstellt. Über 50 Prozent der Stimmen waren für unseren Entwurf. Wir bekamen danach den Auftrag. Ich kann Ihnen versichern, sowohl die 

finanziellen als auch die zeitlichen als auch die menschlichen Bedingungen lassen nichts zu wünschen übrig. Wir haben selten so zuvorkommende 

Menschen auf der Bauherrenseite getroffen, mit denen wir Konflikte lösen, bei denen in Europa Anwälte eingeschaltet werden.


SPIEGEL  : Die beiden Haltungen, die Sie beide repräsentieren, gab es auch in der Debatte, die über Olympia aufgekommen ist: nämlich, ob die Spiele boykottiert 

werden sollen oder nicht. Die einen meinen, durch Einmischung könne man etwas ändern. Die anderen meinen, sich herauszuhalten sei ein wichtiges 

politisches Signal. Herr von Gerkan, haben Sie durch Ihre oder bei Ihrer Arbeit in China gemerkt, dass sich dort etwas verändert?

Gerkan      : Ich habe China vor neuneinhalb Jahren zum ersten Mal betreten. Das Projekt, mit dem wir befasst waren, war quasi politisch neutral: eine deutsche 

Schule. Ich war seitdem mehr als 50-mal in China, habe Hunderte von Menschen kennengelernt und viele Freundschaften geschlossen. Meine 

Wahrnehmung weicht so eklatant von dem ab, was hier in den Medien verbreitet wird, dass es zum Himmel schreit. Unsere chinesischen Mitarbeiter 

haben zu Recht Wut im Bauch über die westliche Berichterstattung. Meiner Meinung nach gibt es in China heute den höchsten Grad der freien 

Entfaltung für jedes Individuum seit Menschengedenken, trotz aller noch verbliebenen unschönen Dinge.

Ingenhoven: Ja, aber wir müssen jetzt aufpassen. Ich wollte mich nicht hergeben zu einer Anti-China-Debatte, und Sie müssen auch keine Pro-China-Debatte 

führen. Es geht doch nicht darum, ob man in China einen Wohnblock bauen kann. Es geht doch darum, ob man für nichtdemokratische Staaten 

Repräsentationsbauten errichtet. Ich muss nicht unbedingt das Parlament eines diktatorisch regierten Landes wie Vietnam bauen, und ich muss auch 

nicht unbedingt am Platz des Himmlischen Friedens das chinesische Nationalmuseum bauen, wie Sie das tun, Herr von Gerkan. Ich glaube, dass man 

sich bei gewissen Projekten entscheiden muss. Ich weiß, dass Vietnam viel Sympathie genießt, viele Menschen machen da tolle Urlaube. Trotzdem 

ist es ein Einparteien-Regime, es gibt keine freie Presse, es gibt nur eingeschränkte Religionsfreiheit - das sind keine Kleinigkeiten!


SPIEGEL  : Herr Ingenhoven, wo ziehen Sie selbst die Grenze? Sie bauen ja in Singapur - auch kein ganz zweifelsfreier Staat.

Ingenhoven: Diese Grenze ist schwer zu ziehen, das gebe ich zu, und Singapur ist, das habe ich immer freimütig bekannt, ein Grenzfall - wenngleich ein erheblich 

liberalerer Staat als China. Wir bauen dort aber zwei privat finanzierte Bürogebäude und nicht das oberste Gericht des Landes. Ich finde, wir 

Architekten sollten versuchen, uns auf Märkte in den demokratischen Ländern mit freier Presse zu konzentrieren, Märkte, die von deutschen 

Architekten, freundlich gesagt, vernachlässigt werden.

Gerkan      : Tatsache ist, dass über zwei Drittel aller Bauten heute in Ländern errichtet werden, denen Herr Ingenhoven sein Verdikt auferlegt. Welche 

Verantwortung übernehmen Sie gegenüber einer globalen Entwicklung, wenn Sie sich entziehen? Letztlich geht es ja nicht um ein Bauen für Systeme, es ist ja ein Bauen für Menschen. Wir bauen in China Kirchen, wir bauen Schulen, eine ganze Stadt.


SPIEGEL  : Was glauben Sie mit Ihren Bauten in China an gesellschaftlichen Änderungen bewirken zu können, Herr von Gerkan?

Gerkan     : Ich bin der festen Überzeugung, wenn Lingang, unsere neue Stadt für 800 000 Menschen, fertig ist, werden viele Chinesen sehen, was sie selbst bisher 

für Fehler gemacht haben: dass man mit dem Verkehr anders umgehen kann, dass man bessere klimatische Bedingungen schaffen kann, dass man 

Freizeit, Wohnen und Arbeiten zur Symbiose bringen kann. Kurz, dass man Lebensqualität durch Architektur schaffen kann, jenseits aller Ideologie.

SPIEGEL  : Eine Stadt anzulegen ist das eine, einen staatlichen Repräsentationsbau zu entwerfen etwas grundsätzlich anderes. Lässt sich durch die Art, wie man 

etwa ein Parlament baut, Politik beeinflussen?

Gerkan     : Ich kann jedenfalls so viel sagen, dass man meinen Parlamentsbau in Vietnam in seiner Funktionalität - mit Parlamentssitzen, mit einem Präsidium, 

mit Zuschauerrängen, mit Beratungszimmern der einzelnen Ausschüsse - nahezu eins zu eins in irgendein demokratisches Land übersetzen kann. 

Meine Ethik misst sich daran, welche Architektur für die Menschen welche Bedingungen schafft. Dass sie missbraucht werden kann, ist etwas 

anderes. Man wird uns kaum vorwerfen können, dass wir Architektur bauen, die Macht demonstrierte - wie einst für einen Hitler oder für einen 

Ceausescu.

Ingenhoven: Es gibt ja erstaunlich viele Parlamente auf dieser Welt, viel mehr Parlamente jedenfalls als Demokratien. Es gibt sogar einen Volkskongress in China, 

und die Fotos davon zeigen: Das ist eine Art Zuhörerveranstaltung vor einem Podium. Ich kenne Ihr vietnamesisches Parlamentsprojekt nicht, Herr von 

Gerkan, aber es gibt eine Darstellung von deutschen Kollegen, die dieses Regierungsgebäude in Tripolis bauen, und das sieht aus wie der chinesische 

Volkskongress. Man muss das Bild angucken und dann weiß man ganz genau, welch Geistes Kind die Leute sind, die sich so ein Parlament 

wünschen. Selbst wenn Ihr Parlamentsbau für Vietnam ein transparenter, moderner ist - das will ich Ihnen gar nicht abstreiten -, dann steht er doch im 

Widerspruch zu dem System, von dem dieses Gebäude benutzt wird. Sie können doch nicht sagen, Ihnen sei egal, was dort stattfindet.

Gerkan     : Sage ich auch nicht.

Ingenhoven: Doch, das sagen Sie!

Gerkan     : Nein.

Ingenhoven: Doch, doch. Sie sagen das.

Gerkan     : Ja, ja, er weiß alles, was in meiner Seele ist.

Ingenhoven: Sie haben gesagt, wenn man es nur demokratisch genug baut, dann ist es in Ordnung. Aber es ist nicht in Ordnung.

Gerkan     : Sie versagen politischen Bereichen auf unserer Weltkugel - und dazu gehört Vietnam, das zunächst von den Franzosen, anschließend auch von den 

Amerikanern mit Bomben plattgemacht wurde, das seine Entwicklung zu einer humanen Gesellschaft mit einem Rückstand von mehreren hundert 

Jahren gegenüber Europa begonnen hat -, Ländern wie diesen versagen Sie die Chance, sich zu etwas zu entwickeln, was bei uns eine lange Zeit 

gebraucht hat.

Ingenhoven: Nein, ich versage nur meine Mithilfe dabei! Weil ich nicht sicher bin, zu was diese Mithilfe missbraucht wird.

Gerkan     : Was für eine Mithilfe denn? Was ist denn der Missbrauch?

Ingenhoven: Es wäre doch auch nicht so, dass, wenn Sie selbst das Parlament nicht bauen würden, deswegen keins gebaut wird. Die würden doch auch selbst ein 

Parlament zustande kriegen.

Gerkan     : Das glaube ich eben nicht. Wir beteiligen bei unseren Verfahren in Vietnam oder in China immer auch inländische Architekten. Aber so wie es ein 

Defizit in der gesellschaftspolitischen Entwicklung gibt, gibt es auch ein Defizit in der baukulturellen Entwicklung. Wenn man Entwürfe aus diesen 

Ländern sieht, machen die sich sehr oft durch dekorative Elemente wichtig, sie vernachlässigen den Kontext zwischen Funktion, Form, Inhalt sowie 

die Verträglichkeit mit der Umgebung. Die konzeptionelle Denkweise, wie wir sie in Europa gewohnt sind, ist in diesen Ländern nicht so ausgeprägt.

Ingenhoven: Dennoch meine ich, dass ein Architekt, der sich entscheidet, irgendwo zu bauen, sich auch extrem abhängig macht von den Entwicklungen dort. Was 

machen Sie denn, wenn morgen in Vietnam irgendein Aufstand irgendeiner Minderheit blutig niedergeschlagen wird? Dann wird man doch entsetzt sein über Ihren Parlamentsbau.

Gerkan     : Das ist doch nur Ihre plakative Lesart!

Ingenhoven: Ich hab nur ein gutes Gedächtnis. Jeder weiß, was wir mit dem Platz des Himmlischen Friedens verbinden. Ich würde mich nicht dazu hergeben, auf 

diesem Platz ein Gebäude zu bauen, das zu nichts anderem als der Verherrlichung der chinesischen Staatskultur dient. Warum tun Sie es?

Gerkan     : Mit dem Museum baue ich für eine 5000-jährige Geschichte in China eine Hülle. Für 5000 Jahre!

Ingenhoven: ... an einem Platz, an dem vor gerade mal 19 Jahren Studenten massakriert wurden. Der Standort macht das Museum besonders.

Gerkan     : Wenn wir über die Frage der Verantwortbarkeit des Bauens für sogenannte Systeme, die wir nicht gut finden, diskutieren, dann müssen wir uns auch 

anschauen, was die Geschichte mit Bauten macht. Nahezu alles, was heute an wesentlichen Baudenkmälern auf der Welt ist, ist mehr oder weniger 

Tyrannen zuzuschreiben. Ich weiß, das ist eine sehr heikle Parallele, aber dennoch. Nehmen wir doch mal das Volksbegehren in Berlin in diesem 

Frühjahr. Da ging es darum, den Tempelhofer Flughafen zu erhalten - einen der prägnantesten nationalsozialistischen Bauten. Schauen wir uns die 

Regierungsbauten an, die heute in Berlin von der Bundesrepublik Deutschland, von den Ministerien, benutzt werden. Es sind Nazibauten! In welchem 

Maße haben denn diese Architekturen, die sicherlich aus einem Geist der Machtdemonstration erwachsen sind, diesen Geist in die Geschichte 

getragen? Haben sie sich nicht im Gegenteil als eigenständige Objekte, als Hervorbringungen der Menschheit manifestiert? Haben sie sich nicht 

losgelöst von all den geschichtlichen Lasten?

Ingenhoven: Ich erinnere mich lebhaft an die Diskussion, als Hans Kollhoff die ehemalige Reichsbank der Nazis für das Auswärtige Amt umbaute, wo sich alle 

fragten, ob das jetzt weit genug weg ist von dem, was da vorher war. Da hat man sich sehr viel Mühe gegeben, alles 50 Jahre nachdem das gewesen 

ist und man gewiss nicht mehr von einer Kontinuität des Systems sprechen konnte. Aber um bei China zu bleiben: Glauben Sie, dass das politische 

System Chinas heute besser ist als das der DDR? Für die DDR hätte doch auch kein demokratischer Architekt einen Nationalbau entworfen.

Gerkan     : Ja, das glaube ich.

Ingenhoven: Ich nicht. Die DDR hat auch nur ab und zu jemanden an der Grenze erschossen, und China erschießt auch nur ab und zu jemanden und nicht jeden 

Tag. Die DDR hat auch gemeint, sie hätte eine Volkskammer und das wäre ein Parlament. Man glaubt heutzutage und hierzulande, man könne es 

sich mit China leichtmachen. Deutsche Manager nehmen eine Menge Rücksicht, in der Hoffnung aufs große Geschäft. Politiker nehmen auch 

Rücksicht, denen nehme ich es weniger übel, da geht es um geopolitische Erwägungen. Aber für mich als Privatmann besteht keine Verpflichtung, dort 

zu arbeiten.

Gerkan     : Warum machen Sie aus Ihrer eigenen Moral ein Postulat, das Sie hinausposaunen? Damit desavouieren Sie die Architektenschaft insgesamt. Diese 

Diskussion ist dem Berufsstand bestimmt nicht nützlich. Was ist Ihr Motiv?

Ingenhoven: Es sind keine persönlichen Motive, ich wünsche mir schlicht und ergreifend, dass Architekten sich am intellektuellen Leben beteiligen. Sie würden es 

doch völlig selbstverständlich finden, wenn Schriftsteller in Deutschland zu diesen Fragen eine Meinung haben, und das dürfen Architekten doch auch. 

Ich glaube, dass Architekten viel zu selten in der Öffentlichkeit auch abseits ihres ureigensten Projektinteresses Stellung beziehen.


SPIEGEL  : Herr von Gerkan, Sie werden im September in Hamburg eine Bauakademie eröffnen, in der es darum gehen wird, dass der architektonische 

Nachwuchs lernt, sich auf das Arbeiten im Ausland einzustellen. Könnten Sie sich vorstellen, dass auch ein Dozent Christoph Ingenhoven dort antritt?

Gerkan     : Ich glaube, er wird nicht kommen, denn die Studenten werden zur Hälfte Asiaten, zur anderen Hälfte Deutsche sein ...

Ingenhoven: ... das ist unfair! ...

Gerkan     : ... weil es uns darum geht, das Erfahrungspotential, das wir mittlerweile seit vielen Jahren gewonnen haben, an die nächste Generation weiterzugeben. 

Und ich gehe davon aus, dass - ob nun weitere Moralapostel auftauchen oder nicht - die ganze Welt auch weiterhin ein Betätigungsfeld für Architekten sein muss. Ansonsten ist es natürlich Sinn und Zweck jeder akademischen Einrichtung, polare Auffassungen miteinander streiten zu lassen, denn nur aus diesen Meinungsverschiedenheiten lernt ein junger Mensch, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

SPIEGEL  : Herr Ingenhoven, was würden Sie an einer solchen Akademie am liebsten unterrichten, wenn Sie die Wahl hätten und eingeladen würden?

Ingenhoven: Ich unterrichte gar nicht, das unterscheidet mich von Herrn von Gerkan. Und ich finde es auch absolut bewundernswert an ihm, mit welcher 

Konsequenz er das getan hat in seinem Leben. Dass es eine solche Akademie geben wird, finde ich erst mal faszinierend, ich finde auch das private Engagement absolut lobenswert. Dennoch möchte ich hier etwas geraderücken: Dass Sie mir unterstellen, dass ich keine Chinesen mag, ist nicht fair. Ich zweifle daran, dass es die richtige Haltung ist, zu sagen: "Ich muss nur die Klappe halten und weiter alles Mögliche bauen, dann kommt die Demokratie schon von selbst." Die Demokratie ist noch nie von selbst gekommen!

Gerkan     : Die Rolle der Verweigerung ist immer die einfachere. Die Konsequenz aus diesem sehr überheblichen Blickwinkel von Herrn Ingenhoven ist letztlich 

Eiserner Vorhang, Boykott, Blockade. Und das hat keinen Nutzen. Der chinesischen Regierung muss man zugutehalten, dass sie in der Lage war, 

1,3 Milliarden Menschen zu mehr Wohlstand zu verhelfen, zu mehr Freiheit, zu mehr Bekenntnis zum eigenen Staat. Sie hat das Riesenreich unter 

Kontrolle, und zwar in einer Kooperation mit der ganzen Welt, mit Russland, mit den USA, mit Europa. Wenn bei jeder geringsten Erschütterung allein 

an den Finanzmärkten die ganze Welt aus den Angeln zu brechen droht, ist es doch sicher sinnvoller, darüber nachzudenken, was man tun kann, als 

darüber zu richten, was man besser lassen sollte.


SPIEGEL : Herr von Gerkan, Herr Ingenhoven, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Das Gespräch führten die Redakteurinnen Susanne Beyer und Annette Bruhns.


Quelle:http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-57570819.html 



+0.  이게 벌써 5년전 기사이구나...

이제는 한국에를 간 그녀가 1년인가를 슈피겔을 구독하면서 읽고는 알려줬던 기사다...

대충 그녀가 해주는 이야기를 들으며 그때는 슈피겔이 그런 기사도 싣는구나...하고는 잊고 있었다...


얼마 전에 잉에호펜과 게르칸의 슈피겔 인터뷰를 읽고 문득 다시 생각나서 찾아 읽었다...


+1.  슈피겔은 인터뷰 글도 왜 이렇게 어려운 거냐...헉헉...

멀기만 한 독일어...


+2.  잉엔호펜은 조금 너무 많이 나아간 듯 하고, 게르칸은 적당히 비겁하다...


잉엔호펜의 의견대로라면, 게르칸이 건축사를 짚어 정확히 지적한 것처럼...

르 꼬르뷔제의 챤디가르나 루이스 칸의 방글라데시 의사당도 있을 수 없던 건물이라는 모순이 있지만...

반대로...잉엔호펜이 지적한 대로, 레온 볼하게 베르닉이 가다피를 위한 프로젝트를 진행했었다는 것도 뜨악한 일이기는 하다...

당장에...동대문만 봐도... 잉엔호펜의 손을 살포시 조금 들어주고 싶은 마음이 생기는 것도 사실이다.


잉엔호펜은 작가가 자신의 정치적 의사를 밝히는 것처럼, 건축가도 그럴 필요가 있다고 했는데...

작가가 노벨문학상 같은 상들의 수상을 거부하는 등의 제스쳐로 정치사회적 의사를 피력하는 것과...

건축가가 프로젝트를 거절하는 것을 본질적으로 다른 성격의 문제이다.


직접 대화를 나눌 기회는 거의 없었지만...

짧은 기간 잠깐 한발자욱 가까이에서 경험한 바로는... 사실 잉엔호펜이 그렇게까지 도덕적 신념이 확고한 사람인지는 글쎄 의문이 좀 든다...

그가 칭하기로 소위 비민주적인 국가에서 프로젝트를 진행하지 않는 결정적 이유는...

인터뷰에서도 잠깐 언급했듯이...작업에 대한 충분한 댓가가 따르지 않고, 작업에 대한 저작권이 확보되지 않는 것인 듯하다...


+3.  나름의 입장이 공감이 가기도 하는 동시에...두 사람의 인신공격성 발언이 좀 놀랍기도 하지만...

가장 놀라운 것은 이런 주제가 건축 토론 주제가 될 수 있다는 사실이다...

Posted by GIN :


Gipfeltreffen der geplagten Architekten: Pierre de Meuron, Meinhard von Gerkan und Christoph Ingenhoven verantworten die größten und schwierigsten Bauprojekte 

des Landes.


Die drei Architekten, die sich vor ein paar Tagen im SPIEGEL-Gebäude in Hamburg trafen, gehören zu den renommiertesten der Welt. Wie kann es sein, dass 

diese Großmeister jeweils für Baustellen verantwortlich sind, auf denen seit Jahren sehr viel schiefgeht? Was sind die Gründe, dass öffentliche Baustellen in 

Deutschland so oft zu Schauplätzen von Katastrophen werden? So unterschiedlich die Projekte der drei Architekten sind, so ähnlich sind die Probleme: Verzögerungen bis hin zu Baustopps, explodierende Kosten um viele hundert Millionen Euro. Stuttgart 21 wird identifiziert mit dem 53-jährigen Architekten 

Christoph Ingenhoven; dieser ist allerdings nur für den Bau des Hauptbahnhofs zuständig. Der Flughafen Berlin-Brandenburg wurde vom Hamburger Architektenbüro 

Gerkan, Marg und Partner geplant, federführend war der 78-jährige Meinhard von Gerkan, der 2012 von der Flughafengesellschaft hinausgeworfen und in diesem Jahr wieder zurückgeholt worden ist. Die Elbphilharmonie schließlich wurde vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron entworfen, die Baudurchführung 

übernahm der Konzern Hochtief, mit dem Pierre de Meuron, 63, und sein Partner lange zerstritten waren. Die Honorare für alle zuständigen Architekten und 

Generalplaner betragen im Falle der Elbphilharmonie 93,9 Millionen Euro, beim Stuttgarter Hauptbahnhof 36 Millionen Euro. Für den Berliner Flughafen lasse sich 

laut Gerkan derzeit keine Summe ermitteln.


SPIEGEL : Herr de Meuron, Herr von Gerkan, Herr Ingenhoven, der Ruf der Architektur in diesem Land ist schlechter denn je. Welche Mitschuld tragen Sie?

Gerkan    : Es ist der große Fehler, sich freiwillig als Galionsfigur herzugeben. So wissen alle, auf wen sie schießen müssen. Wir sind diese Galionsfiguren, nicht 

                die Bauherren und nicht die Baukonzerne. Und wir haften für alles.

De Meuron: Ist der Ruf wirklich so schlecht?

Ingenhoven: Ich muss sagen, der Ruf ist nicht schlecht, außerhalb Deutschlands sogar exzellent.


SPIEGEL  : Menschen gehen wegen Ihres Bahnhofs, Herr Ingenhoven, auf die Straße. Die drei Baustellen, über die wir reden, sind die bekanntesten in 

                  Deutschland, über sie wird weltweit geredet, weil dort lauter Katastrophen passieren.

Ingenhoven: Was ich bestätigen kann, ist, dass es darüber in Deutschland eine hektische politische Diskussion gibt. Aber ich glaube nicht, dass der Ruf der 

                  Architektur tatsächlich beschädigt wird.


SPIEGEL  : Sie sind Architekten, aber in diesen Fällen auch Generalplaner, die mit den Bauherren und Baufirmen zusammenarbeiten. Da läuft bei Elbphilharmonie, 

                  Stuttgart 21 und dem Flughafen in Berlin viel schief.

Ingenhoven: Herr von Gerkan hat gesagt, man ist Galionsfigur. Man ist das auch, weil man gebeten wird, das Projekt in der Öffentlichkeit zu vertreten. In Stuttgart 

                  ging die ganze Geschichte im Jahr 1995 los, und sie wird frühestens um das Jahr 2021 beendet sein. Wenn Sie heute bei Wikipedia die Projektkosten 

                  abfragen, wissen Sie, dass die Bahn früher gesagt hat, das kostet 2,5 Milliarden Euro. Heute reden wir von 5, vielleicht 6 Milliarden. Wir sprechen also 

                  von einem Projekt mit einer Bearbeitungszeit von 25 Jahren und einer Verdoppelung der Kosten. Im Verhältnis zu dem, was vor 25 Jahren ein VW Golf 

                  gekostet hat und was er heute kostet, ist das angesichts weitreichender Änderungen und Gesetzesverschärfungen vertretbar.

SPIEGEL : Sie finden den Preis von - derzeit auch nur geschätzten - 6,5 Milliarden Euro akzeptabel?

Ingenhoven: Ja. Und ich glaube, dass dieses Land nur überleben kann, wenn es solche Projekte baut.


SPIEGEL  : Herr de Meuron, halten Sie den Preis für die Elbphilharmonie, zurzeit sprechen wir von 865 Millionen Euro, für angemessen?

De Meuron: Es ist unbestritten, dass der Ablauf des Projekts alles andere als ideal war. Das ist sehr bedauerlich, insbesondere für den Steuerzahler. Wir sind 

                  darüber nicht weniger unglücklich als die Stadt. Solche Kosten- und Zeitüberschreitungen haben wir in dem Ausmaß auch noch nie erlebt.

SPIEGEL : Können Sie uns sagen, wie viel die Elbphilharmonie Ihrer Ansicht nach hätte kosten können?

De Meuron: Ob die Elbphilharmonie billiger hätte gebaut werden können, ist heute eine hypothetische Frage. Das Projekt hat seit dem ersten Entwurf unendlich v

                  viele Änderungen erfahren und wurde um erhebliche Zusatzwünsche wie einen weiteren Konzertsaal ergänzt. Entscheidender ist doch, was die Stadt 

                  am Ende für ihr Geld bekommt und was die Elbphilharmonie den Bürgern wirklich bedeutet, wenn sie in Betrieb gegangen ist.

Ingenhoven: Du darfst die Frage also nicht beantworten, Pierre.

De Meuron: Doch, weil es die Wahrheit ist!

Ingenhoven: Ich würde sagen: Niemals kostet das über 800 Millionen. An dieser Stelle, auf diesem Raum kann man gar keine 800 Millionen verbauen, es muss 

                  also ein Teil der Summe im Verfahren, im Zeitverzug begründet sein.

De Meuron: Was es völlig unnötigerweise teuer macht, ist die Juristerei und alles, was daraus folgt, Zeitverzögerungen, Projektstreitigkeiten und sogar Stillstand 

                  haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Preis in dieser Größenordnung angekommen ist. Schauen Sie diese Tasse hier an, die vor mir steht. 

                  Sie symbolisiert jetzt mal die Elbphilharmonie. Man sagte anfangs, sie muss weiß sein und irgendwie Tee beinhalten. So in etwa wurde damals 

                  ausgeschrieben. Aber wie groß sie sein soll, dass es noch eine Untertasse geben soll und möglicherweise noch einen Löffel, das hat niemand gesagt. 

                  Und wenn das nicht alles drin ist im Leistungsverzeichnis, dann können Sie weder guten Gewissens einen Preis festlegen noch feste Terminpläne 

                  vereinbaren. Was damals fehlte, war die Zeit für eine sorgfältige Planung. Das hat die Politik jetzt und spät gelernt, jedenfalls in Hamburg.


SPIEGEL : Die Leute erwarten vom Architekten aber, dass er sagt, was machbar ist. Und welche Budgets realistisch sind. Dass er sich wehrt, wenn zu niedrige 

                 Summen genannt werden.

De Meuron: Das haben wir getan. Ständig. Mündlich, schriftlich und zum richtigen Zeitpunkt: Bitte nicht ausschreiben, keine Aufträge vergeben, macht eine 

                  saubere Planung. Das können wir belegen, das ist alles im parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet worden.

Ingenhoven: Pierre hat recht. Das läuft oft so. Die Politik als Bauherr lässt einen Generalunternehmer auftreten, und der sagt, das mache ich dir bis dahin fertig, 

                  und das kostet die Summe x. Mangels hinreichender Planungstiefe weiß zu diesem Zeitpunkt aber niemand, wie viel in dem Paket wirklich drinsteckt.


SPIEGEL : Herr de Meuron hat das Projekt 2003 gemeinsam mit Investoren der Öffentlichkeit vorgestellt. Damals hieß es, die Stadt müsse nur das Grundstück 

                 hergeben und ansonsten nichts bezahlen. Das Gebäude selbst koste 40 Millionen Euro, aber die würden die Investoren anders einwerben. Die Zahl von

                 nur 40 Millionen Euro stand im Raum - und Sie waren ja dabei, Herr de Meuron.

De Meuron: Wir haben solche Zahlen nie genannt.

Gerkan     : Herr de Meuron, Ihr ursprünglicher, später mit einer Medaille ausgezeichneter Investor hat sehr wohl den Eindruck erweckt, als koste das alles die 

                  Stadt nichts. Und dann gab es nur noch die höchsten Ansprüche: Der damalige Bürgermeister Ole von Beust beispielsweise wünschte sich den 

                  weltbesten Akustiker.

SPIEGEL  : Bald hieß es, das Ganze koste 187 Millionen Euro, 77 davon habe die Stadt zu tragen. Dann wurden immer wieder neue Zahlen genannt. Herzog & de 

                  Meuron waren nicht mehr die Galionsfiguren, sondern die Buhmänner.

De Meuron: Zu Ihrem Punkt, Herr Kollege Gerkan - das war nie mein Investor. Und zu der Buhmann-Theorie: So sehen wir uns nicht.


Gerkan     : Ein Bauprojekt läuft nicht so von A bis Z, alles schön der Reihe nach. Die meisten Planungen fangen hinten an. Das Erste, was ein Bauherr wissen 

                  will: Wann ist es fertig? Das Allerletzte, was ihn interessiert, ist, wie es aussieht und wie es ausgestattet ist.

SPIEGEL  : Und was es kostet, interessiert ihn auch nicht?

Gerkan     : In Berlin hatte der Bauherr, also der Bund und die Bundesländer Berlin und Brandenburg, die aberwitzige Idee, dass der Flughafen sich selbst 

                 refinanziert, und zwar durch Passagiergebühren. Jeder Passagier, der den Flughafen betritt, sollte vorher eine Eintrittskarte bezahlen. Die notwendige 

                 Höhe des Preises für die Eintrittskarte sollte jeder der zwei Generalunternehmer, die sich mal beworben hatten, für sich ausrechnen, dies aber ohne 

                 eine vernünftige Zahlenbasis zu haben: 5 Millionen Passagiere oder 20 Millionen? Zugleich überschlugen sich die Änderungswünsche des Bauherrn.


SPIEGEL  : Kann man als Architekt aussteigen, wenn man merkt, dass alles schiefläuft?

De Meuron: So etwas würden wir nie tun. Stellen Sie sich vor, was für eine Empörung entstanden wäre, wenn wir uns einfach aus dem Staub gemacht hätten, weil 

                  uns Entscheidungen nicht passen. Aussteigen hätte signalisiert, dass wir nicht bereit sind, Verantwortung zu tragen.

SPIEGEL  : Es hätte auch Leute gegeben, die gesagt hätten: mutig!

De Meuron: Das glaube ich nicht. Wir sind mutig, weil wir in dem Projekt geblieben sind. Wir nehmen eine Verpflichtung nicht nur dem Bauherrn, sondern auch der 

                  Stadt gegenüber wahr. Wir verstehen uns als Partner unserer Bauherren und haben jetzt eine gute Lösung gefunden, das Gebäude ist 2016 fertig zur 

                  Übergabe.

SPIEGEL  : Sie bauen für eine Öffentlichkeit, die das alles bezahlen muss und es eigentlich nicht mehr will.

De Meuron: Ich habe vorhin gesagt, es ist bedauerlich, sehr sogar, ich kann es leider nicht ändern.

SPIEGEL  : Nun ist ein neuer Vertrag ausgearbeitet worden zwischen der Stadt als Bauherrn, dem inzwischen spanisch geführten Konzern Hochtief und Ihnen. 

                  Hochtief bekannte sich nun, etwas spät, zur Zusammenarbeit mit Ihnen.

De Meuron: Genau so ist es, eine gegenseitige Wertschätzung konnte etabliert und damit Vertrauen geschaffen werden, das wichtig für die zukünftige 

                  Zusammenarbeit ist. Jetzt ist das Projekt besser verzahnt, und die Stadt wurde durch Hochtief von den Risiken entlastet. An dieser Einigung waren wir 

                  als Architekten intensiv beteiligt. Der jetzige Bürgermeister Olaf Scholz hat die Elbphilharmonie zur Chefsache gemacht und sich wirklich gekümmert. 

                   Er war ein knallharter Verhandlungspartner und hat die Stadt bestens vertreten.

SPIEGEL  : Lange war der CDU-Bürgermeister Ole von Beust zuständig, seit 2011 ist es der von Ihnen so gelobte SPD-Mann Olaf Scholz - und der hat nun wieder 

                 198 weitere Millionen zugesagt und noch dazu auf Schadensersatzforderungen verzichtet. Manche halten das für waghalsig.

De Meuron: Das sollen andere beurteilen. Experten halten die neue Lösung für den einzig gangbaren Weg. Dazu bietet der Vertrag ein hohes Maß an Sicherheit.


Ingenhoven: Auch ich habe nie einen Grund gesehen, aus dem Projekt in Stuttgart auszusteigen. Nie. Wir sind ja als Generalplaner nur für das eigentliche 

                  Bahnhofsgebäude verantwortlich. Dort belaufen sich die Steigerungen gegenüber dem Kostenvoranschlag auf unter zehn Prozent, wir sind also fast im 

                  Preis. Vergleichen Sie das mit anderen Projektteilen in Stuttgart, also mit dem Tunnel beispielsweise, mit den Strecken, mit der Logistik. Hätte man 

                  das so weit voraus im gleichen Detaillierungsgrad geplant, hätte man viel näher an den Schätzungen liegen können. Das hätte vorausgesetzt, dass 

                  man erheblich höhere Vorkosten hätte tragen müssen, das war von der Politik nicht gewollt.

SPIEGEL  : Bahn-Chef Rüdiger Grube sagt, wenn er das vorher alles gewusst hätte, wäre es nie zu diesem Projekt gekommen.

Ingenhoven: Die Distanzierung ist Ausdruck einer damals verständlichen persönlichen Frustration. Das kann man verstehen, wenn man wie er mit dem Tod bedroht 

                  wird. Und das ist natürlich auch ein Ausdruck der Frustration über die politischen Verhältnisse, dieses Projekt beinahe dem Ehrgeiz einzelner Grüner 

                  geopfert zu haben. Zu sagen, man würde das Projekt unter den heutigen Bedingungen nicht mehr machen, heißt nicht unbedingt, dass man es nicht 

                  für sinnvoll hält. Eine Minderheit hat dafür gesorgt, dass es zehn Jahre länger dauert und deutlich teurer wird.

SPIEGEL  : Sehen Sie! Architektur sorgt in diesem Land dauernd für Ärger.

Ingenhoven: In dem Schlichtungsverfahren sagte jemand, sie hätten gern den zusätzlichen Bahnhof am Flughafen um ein paar hundert Meter verschoben. Kein 

                  Problem, das können wir machen, das kostet nur ein paar hundert Millionen mehr. Alle wollen das Ergebnis der Schlichtung umsetzen, aber zahlen 

                  will niemand. Ja, Jungs, das ist echter Kindergarten.


SPIEGEL  : Welche Möglichkeiten gibt es für Architekten, so etwas zu verhindern?

Gerkan      : Ich möchte erst einmal ein Missverständnis ausräumen. Es kursiert immer der Begriff der Kostenexplosion. Und der provoziert die Menschen. Darunter 

                  versteht jeder: Man nennt die eine Summe, und nachher kostet ebendieses Projekt eine viel höhere. In Wahrheit werden da Elefanten mit kleinen 

                  Mäuschen verglichen. Ein Beispiel: Beim Flughafen in Berlin beinhalten die Versprechungen des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg 

                  gegenüber den Bürgern 139 Millionen Euro für Schallschutz, und zwar nicht am Flughafen, sondern an den Wohngebäuden der Umgebung. Die von der 

                  Flughafengesellschaft beauftragten Maßnahmen entsprachen nicht den aktuellen Schallschutzanforderungen. Nun muss der Lärmschutz mit 591 

                  Millionen Euro Mehrkosten verbessert werden. Noch eins: Die Größe des Flughafens war ursprünglich mit 200 000 Quadratmetern konzipiert und hat 

                  heute 340 000 Quadratmeter. Das ist nicht mehr derselbe Flughafen. Es wurden immer neue Bedürfnisse angemeldet.


SPIEGEL  : Es kommt vor, dass Hamburger Kinder in Containern unterrichtet werden. Für die Elbphilharmonie aber sind 865 Millionen Euro da.

Ingenhoven: Das findet niemand cool. Es ist aber bei der Elbphilharmonie so, dass der öffentliche Bauherr nicht in der Lage war, rechtzeitig stopp zu rufen, zu 

                  sagen, wir nehmen uns Zeit, um unsere Fehler in den Griff zu bekommen und, eine Verzögerung und begrenzte Kostensteigerung hinnehmend, wieder 

                  in geordnete Bahnen zu gelangen.

SPIEGEL  : Herr de Meuron, sehen Sie das auch so?

De Meuron: Bedauerlicherweise ja. Komplexe Bauprojekte beinhalten immer Risiken, man kann sie aber minimieren. In Hamburg war das Vertragsgefüge so 

                  kompliziert, dass das Projekt für die Stadt kaum noch steuerbar war.


Ingenhoven: Der Bauherr hätte sagen müssen: Wir haben da einen riesigen Fehler gemacht. Und wenn er merkt, es geht einfach nicht mit dem General-

                  unternehmer, dann schmeißt er ihn raus. Das hätte das Anerkenntnis sein müssen, weil man damit den größeren Schaden verhindert. Das gilt wohl 

                  auch für den Flughafen.

SPIEGEL  : Was genau?

Ingenhoven: Man hätte zugeben müssen, dass die Brandschutzpläne ungenügend waren. Aber Politiker wollen das nicht, sie verlieren dann ihr Amt, denn sie 

                  müssten ja der Öffentlichkeit eine unternehmerische Strategie vermitteln - wir geben jetzt zwar mehr Geld aus, auch brauchen wir länger, aber dafür 

                  haben wir die Probleme danach auch im Griff.

SPIEGEL  : Verführt auch der vermeintlich unerschöpfliche Steuertopf dazu, sich nicht an Absprachen zu halten?

Ingenhoven: Nein, es verführt die Unkenntnis der politisch besetzten Aufsichtsgremien dazu. Warum sitzt Herr Wowereit im Aufsichtsrat des Flughafens? Warum 

                  ist nicht der Vorstandsvorsitzende des Frankfurter Flughafens Aufsichtsratschef in Berlin geworden?

SPIEGEL  : Weil er nicht der Bauherr ist, und weil der Bauherr mitreden will.

Ingenhoven: Aber der Chef aus Frankfurt hätte wenigstens Ahnung.

SPIEGEL  : Die Fehler werden nur von anderen gemacht, nie von Architekten?

Ingenhoven: Diejenigen, die für diese Ideen werben, auch die Architekten, entfalten natürlich eine gewisse Verführungskraft. Wenn man dem erliegt und diese 

                  Projekte baut, dann nimmt man die Risiken in Kauf. Risiken gibt es immer.


SPIEGEL  : Aber was ist Ihr Risiko? Ihr Honorar steigt, wenn das Projekt teurer wird.

De Meuron: Nein. Wir sind mit unserem Honorar nicht prozentual an den Baukosten beteiligt. Und wir tragen zahlreiche wirtschaftliche Risiken: Wenn der Bau nicht 

                  fristgerecht fertig wird und funktioniert, kostet das pro Tag Strafe. Nicht zuletzt stehen wir für das Projekt mit unserem Namen ein. Aber Ihre Frage ist 

                  doch, ob wir Fehler machen. Natürlich machen wir die. Aber wir lernen daraus. Wieso sind die Namen von Architekten wie uns bekannt? Nicht weil wir 

                  keine Fehler gemacht haben. Wir sind bekannt, weil die Projekte öffentlich diskutiert werden, und im Fall der Elbphilharmonie wird das 

                  Architektonische positiv diskutiert.


SPIEGEL  : Warum hat man fünf Jahre gebraucht, um die Notwendigkeit einer Neuordnung zu erkennen?

De Meuron: Wir haben immer wieder davor gewarnt, dass da etwas falsch läuft. Mündlich und schriftlich ging das an alle Projektpartner, ich habe auch persönlich 

                  den damaligen Bürgermeister ausdrücklich darauf hingewiesen.


SPIEGEL  : Wir haben ein paar strukturelle Probleme feststellen können. Das eine: Es wird immer zu früh und zu niedrig budgetiert ausgeschrieben.

De Meuron: Das kann man so sagen.

SPIEGEL  : Und die Politiker sind keine Fachleute, maßen sich aber Kompetenz an. Und die Architekten schaffen es nicht zu sagen: so nicht.

Ingenhoven: Wir müssen eine Runde mehr drehen bei der Antwort auf die Frage, warum das so ist. In der Bundesrepublik hat es nach dem Krieg eine Sonder-

                  konjunktur gegeben. Die spätere Überkapazität wurde verdeckt durch die Wiedervereinigung, aber sie war da, nach wie vor, und hat dazu geführt, dass 

                  die Verhältnisse völlig versaut sind. Viele Leute in der Branche sind bereit, sich in Projekte hineinzudrängen zu Preisen, von denen sie wissen, dass 

                  sie die nicht halten.

Gerkan     : Aber diese Baukonzerne haben volles Vertrauen in ihre Abteilung für Nachtragsverhandlungen, also in die Abteilung, die aggressiv nachträgliche 

                 Forderungen stellt. Diese Konzerne kommen schon an ihr Geld.

Ingenhoven: Ich würde sagen, es handelt sich um eine Nachtragserfindungsabteilung.

Gerkan     : Nachtragserfindung? Sehr schön.

Ingenhoven: Sobald ein Vertrag unterschrieben ist, kämpfen die intelligentesten und erfahrensten Menschen innerhalb der Baukonzerne dafür, dass sie viel mehr 

                  Geld aus diesem Projekt herausbekommen, als vorgesehen war. Die Folge ist, dass beim Bauherrn und den Architekten und bei den Generalplanern 

                  ebenfalls die intelligentesten Menschen damit beschäftigt sind, das abzuwehren.

Gerkan      : Sie müssen bedenken, dass es um gigantische Projekte geht, da entstehen spezielle Probleme. In Berlin brauchen wir eine Entrauchungsanlage, die 

                  sicherstellt, dass mehrere 10 000 Menschen in einem Brandfall durch den Rauch nicht ums Leben kommen. Die beiden großen Firmen, die es für die 

                  Steuerung von Anlagen dieser Art gibt in Deutschland, Bosch und Siemens, waren nicht in der Lage, diese in einer angemessenen Zeit auch zu 

                  erstellen. Einer der Gründe war die Festlegung der Politik, nach der diese Anlage an zwei Unternehmen vergeben werden musste. Dies ergab 

                  Kompatibilitätsprobleme der Systeme, als ob in einem Auto vorn ein Opel und hinten ein Mercedes steckte. Aber das Auto fährt nicht und hat massive 

                  Umplanungen zur Folge, mit Zeitverlust und Mehrkosten.

SPIEGEL  : In Berlin wurden solche Aufträge von Wowereits Flughafengesellschaft vergeben. Es gibt keine Garantie dafür, dass die Entrauchungsanlage in 

                  absehbarer Zeit betriebsbereit ist und der Flughafen auch mal eröffnet werden kann.

Gerkan      : So weit wollen wir nicht gehen. Die meisten Autos fahren, wenn sie lange genug getestet werden.

Ingenhoven: Wenn Gerkan Glück hat, funktioniert es. Wenn er Pech hat, ändert sich die europäische Brandschutznorm, und er muss neu bauen. So machen wir 

                  es zurzeit. Wir haben in Stuttgart zum zweiten Mal eine neue Brandschutznorm im Bahnhof zu erfüllen. Die letzte Steigerung bestand unter anderem 

                  darin, dass die Brandrettungszeiten halbiert wurden und die relevante Brandlast verdoppelt. Wir haben es mit einer Potenzierung des Problems zu tun - 

                  und das berücksichtigen Sie mal in der Planung.

SPIEGEL  : Potenzierungen von Problemen überall: Am Flughafen in Berlin haben die Techniker nicht einmal den Lichtschalter gefunden, sie wissen nicht, wie sie 

                  im verwaisten Gebäude das Licht ausschalten können.

Gerkan      : Ja, das passiert, wenn Sie alle Leute von der Baustelle jagen und niemand mehr da ist, der weiß, wo der Lichtschalter ist.

SPIEGEL  : Und dann heißt es, es gibt so viele Fehler, die man nicht beheben kann, man müsste den Flughafen am besten abreißen und neu bauen.

Ingenhoven: Haben Sie mal privat gebaut? Ich schon, und ich habe - offen gesprochen, wie ich das von fast jedem Bauherrn vermute - meinen Kostenrahmen und 

                  meinen Terminplan nie so ganz in den Griff gekriegt. Ich bin heute noch dabei, die Haustechnik zu regulieren. Natürlich habe ich auch etwas an den 

                  Grenzen des Möglichen entlanggeplant.

SPIEGEL  : Das heißt also, Sie halten es für völlig normal, dass auf Baustellen nichts klappt? Das werden nicht viele verstehen.

Ingenhoven: Natürlich haben wir die Verpflichtung, dies alles zum Funktionieren zu bringen, und das beweisen wir ja auch bei Großprojekten auf der ganzen Welt. 

                  Aber ein iPhone funktioniert doch auch nicht immer, obwohl das eine Weltmarke ist, obwohl es eine Schweinekohle kostet und ein Wahnsinns-Image 

                  hat.

SPIEGEL  : Und?

Ingenhoven: Warum soll denn etwas, was gigantisch viel größer als ein iPhone ist und was man erst in die Welt bringen muss, sofort zu 100 Prozent funktionieren? 

                  Pierre hat gesagt, er macht auch Fehler. Ich würde noch weitergehen und sagen, das System impliziert die Fehler. Sie können das gar nicht ohne 

                  Fehler und Schwierigkeiten machen. Der Fehler ist, dass man das nicht kommuniziert und dass man es nicht gemeinsam angeht, sondern gegen-

                  einanderarbeitet.


De Meuron: Man muss die Fehler erkennen, das ist der erste Schritt. Ich glaube, bei der Elbphilharmonie war außerdem die Selbstkritik auf einem sehr niedrigen 

                  Niveau. Ich als Schweizer sollte keine Betrachtungen über Deutschland anstellen.

SPIEGEL  : Doch, bitte.

De Meuron: Für mich war etwas immer unverständlich: Wieso hat Deutschland, das Land, das halb Europa trägt, diese Probleme bei komplexen Bauvorhaben? Ich 

                  behaupte, Bauen ist Teamwork, so wie Fußball. Wenn Sie im Fußball nicht alle gemeinsam den Sieg wollen, dann scheitern Sie. Da können Sie die 

                  teuersten Spieler haben. Das heißt, es geht nur mit einem gemeinsamen Ziel, mit Teamgeist. Wenn beim Bauen aber jeder nur seine eigenen 

                  Interessen vertritt, kommt es zur Eskalation.

SPIEGEL  : Diese Haltung ist in Deutschland ausgeprägt?

Ingenhoven: Ich glaube, dieses Land zahlt einen hohen Preis für seinen Erfolg. Und das zeigt sich im Zwischenmenschlichen und dem Geschäftsgebaren, das 

                  daraus resultiert. Wir haben viel in Australien und in den USA gebaut. Das sind bestimmt nicht alles Weicheier dort, aber ich sage Ihnen: Der 

                  gegenseitige Respekt ist da deutlich größer. Alle wissen, jeder muss Geld verdienen. Hier aber hat man das Gefühl, Unternehmer dürfen kein Geld 

                  verdienen.

De Meuron: Es ist aggressiver in Deutschland. Man kann das auch an der Anwaltsdichte messen. Ich kenne keine härteren Vertragspartner als die Chinesen, aber 

                  die haben immer noch ihren Konfuzius im Hintergrund und wollen, dass der Ton freundlich bleibt. Wir hatten in Asien nach Vertragsabschlüssen nie 

                  mehr mit einem Anwalt zu tun.


SPIEGEL  : Herr von Gerkan, Sie fliegen bald zum Sultan von Oman, Sie bauen im Ausland ganze Städte. Wie wichtig ist Ihnen ein einzelnes deutsches Projekt?

Gerkan      : 50 Prozent unserer Vorhaben sind in China, weitere 25 Prozent in anderen Ländern und die restlichen 25 Prozent in Deutschland. Ich baue überall 

                  gern, aber die Bauaufgabe in Berlin kann ich mir nicht schönreden.

SPIEGEL  : Der Sultan von Oman wird für Sie ein angenehmerer Gesprächspartner sein als Wowereit?

Gerkan      : Das will ich stark hoffen.


SPIEGEL  : Sollte man von Anfang an Mediatoren einschalten? Schon der Turmbau zu Babel scheiterte nicht, weil die Leute nicht bauen konnten, sondern weil sie 

                  sich nicht mehr verstanden haben.

De Meuron: Ich bin kein Freund von Mediatoren. Ich bin auch kein Freund von zu vielen Experten, beide tragen null Verantwortung und kosten zusätzliches Geld. 

                  Projektpartner, die sich auf ein gemeinsames Ziel verpflichtet haben, handeln verantwortungsbewusst, in anderen Ländern klappt das ja auch.


SPIEGEL  : Stuttgart 21 hat solche Probleme in der Öffentlichkeit, weil es fünf oder mehr Milliarden Euro kostet, aber am Ende der Zug auch nur wenige Minuten 

                  schneller ist.

Ingenhoven: Das ist nicht mein Job, herauszufinden, wie viel Minuten mehr man von da nach dort braucht. Der Zweck des neuen Bahnhofs ist, Stuttgart wieder auf 

                  die Landkarte Europas, in ein funktionierendes Hochgeschwindigkeitsnetz zu heben und durch die unter der Erde verlegten Gleise Platz und Ruhe zu 

                  schaffen in dieser beengten Stadt.


SPIEGEL  : Den leeren Flughafen in Berlin zu putzen kostet im Monat 162 000 Euro.

Gerkan      : Schrecklich. Meine Information im Moment ist, aber das wechselt täglich: Der Stillstand kostet pro Monat 20 Millionen Euro. Sie müssen sich 

                   vorstellen, dass da ein ganzes Jahr lang kein Bauarbeiter unterwegs war. Zum Verzweifeln.


Ingenhoven: Wir drei hier sind keine Zyniker. Wir sind ehrlich bemüht, das Richtige und Gute zu tun. Und es ist hart, was wir erleben müssen. Sie fragen, wie viele 

                  Minuten spart man überhaupt durch den neuen Bahnhof. Aber ich finde, ich habe ein Recht darauf, in solchen Diskussionen nicht behandelt zu werden 

                  wie jemand, der nicht zwei und zwei zusammenrechnen kann. Das finde ich respektlos.

SPIEGEL  : Das heißt, die Leute sollen den Experten alles glauben?

Ingenhoven: Nein, aber man soll nicht von vornherein glauben, dass die Leute nur lügen. Wenn ich bei den öffentlichen Diskussionen in Stuttgart als Lügner 

                  bezeichnet wurde, habe ich einen Teil meiner Energie darauf verwendet, dem, der das sagte, keine runterzuhauen.


SPIEGEL  : Die Finanzkrise hat viel verändert, wir denken anders über Geld, über Fortschritt nach. Brauchen wir diese Großvorhaben wirklich?

Ingenhoven: Vorsicht! Natürlich verursacht es der Gesellschaft Schmerzen, wenn man einen Containerhafen baut und die Elbe dafür ausbaggert. Aber wenn wir 

                  diese Schmerzen nicht auf uns nehmen - was dann? Stillstand? In Stuttgart hat eine lautstarke Minderheit von alten Menschen Stimmung gegen das 

                  Projekt gemacht. Wir reden von Menschen, die den Bauzaun dekorierten wie bei Prinzessin Dianas Beerdigung. Es kann nicht sein, dass 20 Prozent 

                  der Bevölkerung über die Zukunft aller bestimmen.

SPIEGEL  : Aber Hamburg, Stuttgart und Berlin funktionieren bisher gut. In Hamburg gibt es eine gute Musikhalle, Stuttgart hatte unlängst seinen normalen 

                  Bahnhof, Berlin brauchte am ehesten einen großen Flughafen, aber mit drei Flughäfen ging es früher doch auch. Der Flughafen Tegel, von Herrn von 

                  Gerkan gebaut, wird sogar sehr geliebt.

De Meuron: Die Elbphilharmonie ist von den Hamburgern gewollt und entschieden worden. Es ist ein Projekt von unten nach oben und nicht von oben nach unten. 

                  Wenn sie fertig ist und die Konzerte klingen, werden die Hamburger den Ärger irgendwann vergessen und die Elbphilharmonie lieben, davon bin ich 

                  überzeugt.


SPIEGEL  : Haben Sie eine Lösung, wie Architekten, Bürger, Politiker aus diesem Schlamassel wieder herausfinden?

Gerkan      : Lösungen zu entwickeln und sie auszusprechen ist das eine. Sie zu praktizieren in einer politischen Landschaft, die an einen Vier-Jahres-Rhythmus   

                  gebunden ist, das andere. Politiker sind darauf angewiesen, sich in ihren Legislaturperioden mit Großprojekten zu profilieren.

Ingenhoven: Die Lösung ist, im Vorfeld intensiver zu planen.

Gerkan      : Das hört sich wie ein Patentrezept an, ist aber keins. Die reine Wahrheit bringt einen in diesem Metier nicht weiter. Die Oper in Sydney wäre nie 

                  genehmigt geworden, wenn man von Anbeginn an gewusst hätte, was sie kosten würde. Das geht nur mit falschen Unterlagen.

SPIEGEL  : Mit einer Lüge am Anfang?

Gerkan      : Ja. Nur mit einer Lüge.

Ingenhoven: In diesem Spiel der Politiker sollen wir alle zu Marionetten gemacht werden. Ich glaube nicht, dass das die Lösung ist, zu lügen, ich habe auch keine 

                  Angst, ehrlich zu sein. Die Leute sind, wenn es sein muss, leidensfähig. Sie haben die Bankenrettung hingenommen. Da kommt es auf die Ehrlichkeit 

                  und das Geschick desjenigen an, der den Leuten ein Projekt verkaufen muss. Da sind die Architekten gefragt.

De Meuron: Ich bin für Offenheit. Auch aus reinem Selbstschutz. Die Lüge fällt immer auf einen zurück. Ich würde die Lüge nie unterstützen, ich würde auch die 

                  List nie unterstützen. Chinesen sprechen von List, sie ist dort völlig normal, es ist nicht verwerflich, den anderen im besseren Glauben zu lassen. In der 

                  europäischen Kultur aber würde ich die List nicht anwenden. Öffentlichkeit hier ist ein gläserner Käfig.

Gerkan      : Sie, Herr de Meuron und Herr Ingenhoven, machen in der Tat einen integren Eindruck, aber ich könnte aus dem Stegreif ein Dutzend Großprojekte 

                   nennen, bei denen es immer mit einer Lüge begann: Das ICC in Berlin wurde für 120 Millionen Mark geplant und mit 924 Millionen Mark abgerechnet. 

                   Meinen Sie, dass alle an die 120 Millionen geglaubt haben?

Ingenhoven: Die Frage ist: Sollte es so laufen?

Gerkan      : Wir Menschen dürfen uns nicht besser darstellen, als wir sind. Wir, Herr Ingenhoven, haben uns einmal bei einem SPIEGEL-Gespräch über China 

                   gestritten, ob wir deutsche Architekten da bauen sollten. Da kann ich nur sagen: In China gibt es diese Lügen nicht, weil man da niemanden belügen 

                   muss. Da entscheidet einer, und er entscheidet das, was er will, weil das die Partei mitträgt.

Ingenhoven: Stopp. Ich finde, wir müssen eine Lanze brechen für demokratische Verfahren. Ich bin zwar der Leidtragende in diesem demokratischen Exzess in 

                  Stuttgart, aber ich glaube trotzdem, dass diese Verfahren dazu dienen, Fehler zu verhindern. Städte sind voller Fehler, am Ende ist das demokratisch 

                  erzeugte Ergebnis aber ein qualifiziertes. Shanghai dagegen ist in zehn Jahren völlig ruiniert worden.


SPIEGEL  : Der rasche Wiederaufbau im Nachkriegsdeutschland wird die "Zweite Zerstörung" genannt: Architekten und Planer verschandelten die Städte. Ihre 

                  Unwirtlichkeit ist ein deutsches Trauma.

De Meuron: Deutschland ist nicht gefangen in einem Trauma. Berlin ist ein tolles Beispiel dafür, wie man mit den Herausforderungen der Geschichte umgehen 

                  kann. Wir können nicht immer nur von Venedig oder Paris träumen. Eine normale Stadt ist an sich nicht schön, sie ist das Resultat aller Kämpfe und 

                  Schwierigkeiten.


SPIEGEL  : Wenn Sie gewusst hätten, welche Kämpfe es in Hamburg geben wird, hätten Sie sich ferngehalten?

De Meuron: Die Elbphilharmonie ist städtebaulich von großer Bedeutung, sie verbindet die Hafen- und die Bürgerstadt. Wir stehen voll hinter ihr und würden es 

                  genau so noch mal machen.


SPIEGEL  : Ihr Entwurf, Herr Ingenhoven, stammt ja aus dem Jahr 1997. Würden Sie ihn heute anders zeichnen?

Ingenhoven: Ich würde das nicht von jedem Projekt sagen, aber für Stuttgart kann ich sagen, ich würde es heute genau so machen.


SPIEGEL  : Herr von Gerkan, sind Sie noch im Reinen mit Ihrem Entwurf?

Gerkan      : Nicht ganz. Ich bedaure über alle Maßen, dass wir so lange Wege einplanen mussten. Flughäfen sind zu riesigen Einkaufszentren verkommen. 

                  Wissen Sie: Das schönste Flughafengebäude ist für mich das TWA Flight Center am Kennedy Airport in New York, das 1962 nach einem Entwurf des 

                  finnischen Architekten Eero Saarinen fertiggestellt wurde. Die Abflughalle sieht aus wie ein Flugdinosaurier, wunderbar. Die Halle steht heute leer. Die 

                  Bedingungen des Abfertigens ändern sich unentwegt, fast jährlich. Das hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass ein Flughafen so neutral wie möglich 

                  sein muss, damit das Gebäude nicht in Konflikt gerät mit irgendwelchen formalen Ansprüchen. Dach, Stützen, Schluss, Aus.


SPIEGEL  : Herr Ingenhoven, Herr de Meuron, Herr von Gerkan, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Das Gespräch führten die Redakteurinnen Susanne Beyer und Ulrike Knöfel in Hamburg.


Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-97110561.html



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