Der 'Resignationspunkt': Es gibt immer ein Ereignis in unserem Leben, das dafür verantwortlich ist , dass wir aufgehört haben, weiter voranzuschreiten. Ein Trauma, 

eine besonders bittere Niederlage, eine Enttäuschung in der Liebe, sogar ein Sieg, den wir nicht recht verstehen, führen am Ende dazu, dass wir kleinmütig werden 

und stehenbleiben. Der mexikanische Brujo oder Schamane muss sich während der Zeit, in der er seine okkulten Kräfte entwickelt, sein Leben noch einmal 

ansehen und herausfinden, wo dieser 'Resignationspunkt' liegt.


Der 'Resignationspunkt'! Das passte zu meiner Erfahrung beim Erlernen der Bogenschießens - des einzigen Sports, der mich je angezogen hat. Der Kyudo-Meister 

sagt, kein einziger Schuss könne je wiederholt werden, es bringe daher nichts, aus Richtiggemachtem und aus Fehlern lernen zu wollen. Wichtig sei die hundert-

fache, tausendfache Wiederholung, bis wir uns von dem Gedanken befreien, das Ziel treffen zu wollen, und selber zu Pfeil, Bogen und Ziel werden. In diesem 

Augenblick führt die Energie (mein Kyudo-Meister benutzt nie das Wort 'Gott') unsere Bewegungen, und wir fangen an, den Pfeil nicht dann abzuschießen, wenn 

wir es für richtig halten, sondern wenn 'es' meint, der Augenblick sei gekommen.


Der 'Resignationspunkt'. Ein anderer Teil meiner persönlichen Geschichte wird sichtbar. Wie schön wäre es, wenn Marie jetzt hier wäre! Ich muss von mir reden, 

von meiner Kindheit, erzählen, dass ich mich, als ich klein war, immer prügelte und als Ältester der Klasse die anderen immer besiegte. Eines Tages hat mir mein 

Cousin eine Tracht Prügel verabreicht, und von dem Tag an glaubte ich nie wieder, einen Kampf gewinnen zu können, und bin jeder Art von körperlicher Ausein-

andersetzung aus dem Weg gegangen, obwohl ich deswegen vor meinen Freundinnen häufig als Feigling dastand.


Der 'Resignationspunkt'. Zwei Jahre lang habe ich versucht, Gitarre spielen zu lernen. Anfangs machte ich gute Fortschritte, bis ich an den Punkt gelangte, an dem 

ich nicht weiterkam - weil ich herausfand, dass die anderen es schneller lernten als ich. Ich spürte, dass ich mittelmäßig war, und um mich nicht zu blamieren, gab 

ich vor, Gitarrespielen interessiere mich nicht mehr. Das gleiche mir mit Billard, Fußball, Radrennfahren: Anfangs machte ich gute Fortschritte, aber immer kam der 

Punkt, an dem es nicht mehr weiterging.


Warum?


Weil man uns immer wieder erzählt hatte, dass wir an einem bestimmten Punkt unseres Lebens 'an unsere Grenzen stoßen'. Wieder einmal erinnerte ich mich 

daran, wie oft ich meine Bestimmung, Schriftsteller zu werden, in Frage gestellt hatte und wie Esther niemals zuließ, dass der 'Resignationspunkt' meinen 

Träumen ein Ende setzte. Dieser Absatz, den ich gerade gelesen hatte, passte zu der Vorstellung, dass es gut ist, die eigene Geschichte zu vergessen und nur 

den durch Unglücksfälle und Schwierigkeiten entwickelten Instinkt zu bewahren, der uns intuitiv das Richtige tun lässt: Die Brujos in Mexiko machen es so und die 

Nomaden in den Steppen Zentralasiens auch.


Der 'Resignationspunkt': "Es gibt immer ein Ereignis in unserem Leben, das dafür verantwortlich ist, dass wir aufhören voranzuschreiten."


* Paulo Coelho 'Der Zahir'


+ Wo liegt meiner Resignationspunkt?


Posted by GIN :

2012.06.24_Loslassen

2012. 6. 24. 19:07 from was ich (le)se(h)

Deshalb ist es so wichtig, bestimmte Dinge gehen zu lassen. Loszulassen. Sich zu lösen. 

Niemand spielt in diesem Leben mit gezinkten Karten. 

Manchmal gewinnen wir, manchmal verlieren wir auch

Erwarte nicht, etwas zurückzubekommen, erwarte nicht, dass man deine Bemühungen anerkennt, dein Genie entdeckt, deine Liebe begreift. 

Zyklen beenden. Nicht aus Stolz, Unfähigkeit, oder Hochmut, sondern einfach nur, weil sie nicht mehr in dein Leben passe. 

Schließe die Tür, lege eine andere Platte auf, räum dein Haus auf, schüttele den Staun aus. 

Höre auf zu sein, der du warst, und werde der, der du bist.


* Paulo Coelho 'Der Zahir'


+ 그러기 참...어려울 뿐이고... 

Posted by GIN :

"Marie, stell dir einmal vor, zwei Feuerwehrleute gehen in einen Wald, um ein kleines Feuer zu lösen. Als sie wieder herauskommen und an das Ufer eines Baches 

gelangen, ist das Gesicht des einen mit Ruß bedeckt und das Gesicht des anderen vollkommen makellos. Ich frage dich: Welcher der beiden wird sich das 

Gesicht waschen gehen?"


"Das ist eine alberne Frage: natürlich der, dessen Gesicht voller Ruß ist."


"Falsch: Derjenige, dessen Gesicht voller Ruß ist, wird den anderen anschauen und denken, er sähe genauso aus wie der andere. Und umgekehrt. Der mit dem 

sauberen Gesicht wird sehen, dass sein Kamerad voller Ruß ist, und sich sagen: Ich muss auch dreckig sein, ich muss mich waschen."


"Was willst du damit sagen?"


"Ich will damit sagen, dass ich im Krankenhaus begriffen habe, dass ich mich in allen Frauen, die ich geliebt habe, selber gesucht habe. Ich blickte in ihre 

sauberen, schönen Gesichter und sah mich darin widergespiegelt. Sie hingegen schauten mich an und sahen die Asche, die mein Gesicht bedeckte, und mochten 

sie auch noch so intelligent und noch so selbstsicher sein, am Ende sahen sie sich in mir widergespiegelt und hielten sich für schlechter, als sie waren. Bitte, lass 

nicht zu, dass dies mit dir geschieht."


Gern hätte ich hinzugefügt: So ist es Esther ergangen. Und ich habe es erst begriffen, als ich mich an die Veränderungen in ihrem Blick erinnerte. Ich habe immer 

ihr Licht, ihre Energie absorbiert, die mich glücklich und sicher machten, mich in die Lage versetzten, meinen Weg weiterzugehen. Sie dagegen schaute mich an 

und fühlte sich hässlich, herabgewürdigt, weil in dem Maße, wie die Jahre vergingen, meine Karriere - diese Karriere, für deren Verwirklichung sie so viel getan 

hatte - unsere Beziehung auf den zweiten Platz verwies.


Daher musste mein Gesicht, bevor ich sie wiedersah, so rein sein wie ihres. Bevor ich ihr wieder begegnete, musste ich mich selber finden.


* Paulo Coelho 'Der Zahir'

Posted by GIN :

"Tut mir leid, wenn ich nicht so direkt sein kann wie die beiden, die vor mir gesprochen haben, aber auch mir liegt etwas auf der Seele. Heute war ich an der Gare 

de l´st und habe mir sagen lassen, dass der Abstand zwischen den Schienen 143,5 Zentimeter oder 4 Fuß und 8,5 Zoll beträgt. Warum dieses unsinniges Maß? 

Ich habe meine Freundin gebeten, den Grund dafür herauszufinden, und hier ist er:


Weil beim Bau der ersten Eisenbahnwagen die gleichen Werkzeuge verwendet wurden wie für den Bau von Kutschen.


Aber warum war dies der Abstand der Kutschenräder? Weil die alten Straßen für dieses Maß gebaut waren und nur so der Kutschenverkehr möglich war.


Wer aber hat beschlossen, dass Straßen nur mit diesen Maßen gebaut werden durften? Und da geraten wir plötzlich in eine ferne Vergangenheit: Festgelegt haben 

das nämlich die Römer, die ersten großen Straßenbauer. Aus welchem Grund? Die Kriegswagen wurden von zwei Pferden gezogen - und stellt man zwei der 

Rassetiere nebeneinander, die damals benutzt wurden, dann nahmen sie 143,5 Zentimeter ein.


Und so kommt es, dass der Abstand zwischen den Schienen, die ich heute gesehen habe und die von modernen  Hochgeschwindigkeitszügen befahren werden, 

von den Römern bestimmt wurde. Als in den USA Einwanderer aus Europa dort Eisenbahnen bauten, fragten sie nicht, ob es besser wäre, die Spurweite zu 

verändern, sondern bauten nach denselben Vorgaben weiter. Dies hat sogar die Konstruktion der Spaceschuttles beeinflusst. Eigentlich waren die amerikanischen 

Ingenieure der Meinung, dass die Brennstoffstanks breiter sein müssten, aber da diese in Utah gebaut wurden, mussten sie mit der Bahn bis zum Space Center in 

Florida transportiert werden und hätten, wären sie breiter gewesen, nicht durch die Tunnel gepasst. Schlußfolgerung: Sie mussten sich dem beugen, was die 

Römer einst als ideale Maß festgelegt hatten.


Und was hat das nun mit der Ehe zu tun?"


Ich machte eine Pause. Einige Leute waren überhaupt nicht an Eisenbahnschienen interessiert und fingen an, miteinander zu reden. Andere, unter ihnen Marie und 

Mikhail, hörten mir ganz aufmerksam zu.


"Das hat alles mit der Ehe und den beiden Geschichten zu tun, die wir gerade gehört haben. Irgendwann ist jemand gekommen und hat gesagt: Wenn ihr heiratet, 

müsst ihr beide unverändert bleiben, wie tiefgefroren. Ihr werdet nebeneinander laufen wie zwei Schienen und genau dieser Norm gehorchen. Selbst wenn einer das 

Bedürfnis hat, sich mal etwas zu nähren, mal etwas zu entfernen, so verstößt das schon gegen die Regeln. Die Regeln lauten: Seid vernünftig, denkt an die 

Zukunft, an die Kinder. Ihr dürft euch nicht mehr verändern, müsst sein wie die Schienen: Der Abstand zwischen euch muss beim Ausgangsbahnhof, unterwegs 

und am Zielbahnhof immer gleich groß sein.


Ihr dürft nicht zulassen, dass sich eure Lieb verändert, auch nicht, dass sie am Anfang zunimmt und unterwegs oder am Zielbahnhof abnimmt - das wäre höchst 

riskant. Also müsst ihr, wenn die Begeisterung der ersten Jahre verfolgen ist, immer denselben Abstand einhalten, immer gleich solide bleiben, immer gleich gut 

funktionieren. Ihr seid dazu da, dass sich der Zug des Überlebens der Gattung in der Zukunft bewegt. Eure Kinder werden nur glücklich sein, wenn ihr bleibt, wie ihr 

immer wart - in einem gleichbleibenden Abstand von 143,5 Zentimetern zueinander. Wenn ihr unzufrieden wegen etwas seid, das sich nie verändert, dann müsst ihr 

an die Kinder denken, die ihr auf die Welt gebracht habt.


Denkt an die Nachbarn. Zeigt ihnen, dass ihr glücklich seid, sonntags grillt, dass ihr fernseht, der Gemeinschaft helft. Denkt an die Gesellschaft! Zieht euch so an, 

dass alle sehen können, es gibt keine Konflikte zwischen euch. Schaut nicht rechts und nicht links, es könnte euch jemand ansehen, und das wäre dann eine 

Versuchung, könnte Scheidung, Krisen, Depressionen bedeuten.


Lächelt auf den Fotos. Stellt die Fotos im Wohnzimmer auf, damit alle sie sehen können. Mäht den Rasen, macht Sport, vor allem Sport, damit ihr in der Zeit 

konserviert werdet. Wenn der Sport nichts mehr bringt, lasst eine Schönheitsoperation machen. Aber vergesst nie: Irgendwann einmal wurden diese Regeln 

aufgestellt, und ihr müsst sie befolgen. Wer diese Regeln aufgestellt hat? Das ist egal. Stellt niemals solche Fragen, dann die Regeln werden immer gültig sein, 

auch wenn nicht mit ihnen einverstanden sind"


* Paulo Coelho 'Der Zahir'


+ Din A의 크기들은 왜 다 그 모양인지 궁금한 적이 있었다...

Posted by GIN :

"Was ist die 'Gefälligkeitsbank'?" 


"Das wissen Sie doch. Jeder Mensch kennt sie."


"Schon möglich, aber ich weiß noch immer nicht, was Sie damit meinen."


"Sie wird im Buch eines amerikanischen Schriftstellers erwähnt. Es ist die mächtigste Bank der Welt. Sie ist allgegenwärtig."


"Wo ich herkomme, gibt es kaum eine literarische Tradition. Und außerdem könnte ein Gefallen von mir niemandem helfen."


"Das macht nichts. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich weiß, dass Sie jemand sind, der sich entwickeln und eines Tages viel Einfluss haben wird. Ich weiß es, weil ich 

einmal wie Sie war, ehrgeizig, unabhängig, anständig. Heute habe ich nicht mehr die Energie von damals, aber ich möchte Ihnen helfen, weil ich nichts stillstehen 

kann oder will. Ich will nicht von der Rente träumen, sonder von diesem aufregenden Kampf, der das Leben, die Macht, den Ruhm ausmacht.

Ich mache ein paar Einzahlungen auf Ihr Konto - Einzahlungen, die nicht aus Geld bestehen, sondern aus Kontakten. Ich stelle Ihnen den einen oder anderen 

Menschen vor, erleichtere bestimmte Verhandlungen, soweit die zulässig ist. Sie wissen, dass Sie mir etwas schulden, obwohl ich nie etwas verlange."


"Und eines Tages..."


"Genau. Eines Tages bitte ich Sie um etwas, Sie könnten nein sagen, aber Sie wissen, dass Sie mir etwas schulden. Sie werden tun, worum ich Sie bitte, ich 

werde Ihnen weiterhelfen, die anderen werden erfahren, dass Sie ein loyaler Mensch sind, und ebenfalls auf Ihr Konto einzahlen - stets Kontakte, denn diese Welt 

besteht aus Kontakten und sonst nichts. Eines Tages wird man Sie um etwas bitten. Sie werden der Bitte entsprechen und denjenigen unterstützen, der Ihnen 

geholfen hat. Im Laufe der Zeit werden Sie über ein Netzwerk verfügen, das die ganze Welt umspannt, Sie werden diejenigen kennenlernen, die Sie kennenlernen 

müssen, und Ihr Einfluss wird stetig wachsen."


"Oder aber ich weigere mich, zu tun, worum Sie mich gebeten haben."


"Selbstverständlich steht Ihnen das frei. Eine Investition bei der Gefälligkeitsbank ist eine Risikoinvestition, wie es sie bei jeder anderen Bank auch gibt. Wenn Sie 

sich weigern, mir den Gefallen zu tun, um den ich Sie gebeten habe, weil Sie finden, dass ich Ihnen geholfen habe, weil Sie es verdienten, weil Sie der Größte 

sind, wir alle verpflichtet sind, Ihr Talent anzuerkennen - na, dann bedanke ich mich und bitte jemand anderen, der Ihnen schon einmal nützlich gewesen ist. Von 

dem Moment an wissen alle, ohne dass ich auch nur ein Wort verlieren muss, dass Sie kein Vertrauen verdienen. 

Sie können bis zur Hälfte wachsen, aber Sie werden nicht so viel wachsen, wie es Ihnen vorschwebt, sondern auf halber Strecke steckenbleiben. Sie sind halb 

zufrieden und halb traurig, sind weder richtig frustriert noch ein Mensch, der sich ganz verwirklicht hat. Sie sind weder heiß noch kalt, Sie sind lauwarm und, wie es 

irgendwo in der Bibel heißt,'weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeisen aus meinem Munde'.'"


Der Verleger macht  viele Einzahlungen - Kontakte - auf mein Konto bei der Gefälligkeitsbank. Ich lerne, ich leide, die Bücher werden ins Französisch übersetzt, 

und wie in Frankreich üblich, wird Fremdes wohlwollend aufgenommen. Mehr als das: Der Ausländer ist ein Erfolg! Zehn Jahre später habe ich eine große Wohnung 

mit Blick auf Seine, werde von meinem Lesern geliebt, von der Kritiker gehasst (die mich liebte, bis ich meine ersten hunderttausend Exemplare verkauft hatte, von 

da an war ich für sie kein unverstandenes Genie mehr). Ich zahle meine Gefälligkeitsschulden immer pünktlich zurück, und bald werde ich selber Gefälligketen 

verleihen - in Form von Kontakten. Mein Einfluss wächst. Ich lerne zu bitten und lerne zu tun, worum mich die andere bitten.


* Paulo Coelho 'Der Zahir'



Posted by GIN :