'Ich muss mich wieder in den Griff kriegen. Ich bin jemand, der das, was er sich vorgenommen hat, zu Ende führt.'


Es stimmte, vieles in ihrem Leben hatte sie bis zum bitteren Ende gelebt - doch nur das, was unwichtig war wie zum Beispiel einen Streit verlängern, den eine bitte 

um Entschuldigung beendet hätte, oder einen Mann, in den sie verliebt war, nicht mehr anrufen, nur weil sie glaubte, dass diese Beziehung zu nichts führte. Sie 

war dann unnachgiebig, wenn es am einfachsten war, wenn es darum ging, Standfestigkeit und Gleichgültigkeit zu demonstrieren, obwohl sie in Wahrheit eine 

zerbrechliche Frau war, die sich zudem nie groß hervorgetan hatte - weder als Schülerin noch im Schulsport und auch nicht als Friedensstifterin zu Hause.


Sie hatte ihre kleinen Unzulänglichkeiten zwar überwunden, aber letztlich bei dem versagt, was wichtig und grundlegend war. Es gelang ihr, die unabhängige Frau 

herauszukehren, obwohl sie sich nach jemandem sehnte, an den sie sich anlehnen konnte. Wo immer sie hinkam, zog sie die Blicke auf sich, und doch verbrachte 

sie am Ende die Nächte meist allein im Kloster vor dem Fernseher, dessen Programme nicht einmal richtig eingestellt waren. Sie hatte sich ihren Freunden 

gegenüber immer als beneidenswerte Frau hingestellt und ihre ganze Energie darauf verwendet, sich diesem Selbstbild entsprechend zu verhalten. Daher verblieb 

ihr keine Kraft mehr, sie selbst zu sein, ein Mensch, der wie alle anderen auf der Welt andere Menschen brauchte, um glücklich zu sein. Doch die anderen 

Menschen waren so schwierig! Sie reagierten unerwartet, verschlossen, und spielten - genau wie sie - die ewig Blasierten. Wenn einmal jemand kam, der dem 

Leben gegenüber offener war, dann lehnten sie ihn entweder ab oder verhöhnten ihn als naiven Trottel.


* Paulo Coelho 'Veronika beschließt zu sterben'

Posted by GIN :